Gartenstadt Jardín

Passender könnte ein Ortsname nicht sein: Das Andendorf El Jardín (= der Garten) liegt etwa 130 km südwestlich von Medellín. Während meines letzten Kolumbien-Aufenthalts habe ich den Ort, der zu den 10 schönsten Dörfern Kolumbiens gehören soll, an einem Wochenende besucht.

Die Anfahrt war beschwerlich, denn wir mussten wegen Bauarbeiten und Sperrungen aufgrund starker Regenfälle einige Umwege in Kauf nehmen: Der Bus brauchte fast 5 Stunden für die 130 km bis Jardín! Für einen Tagesausflug ist Jardín also definitiv zu weit weg von Medellín, auch wenn die neue Strasse irgendwann fertig sein sollte. Es lohnt sich aber sowieso, mindestens eine Übernachtung einzuplanen, damit man die Landschaft nicht nur vom Busfenster geniessen kann. Ausserdem hatte ich die ganze Zeit wunderbare Unterhaltung. Immer wieder werde ich in Kolumbien neugierig darauf angesprochen, weshalb ich als Frau alleine unterwegs bin.

Besonders interessant war das Gespräch mit einer Bewohnerin der Indigenen-Siedlung Karmata Rúa. Die Siedlung liegt zwischen Andes und Jardín. Die Indigenen, die dort leben, gehören zur Ethnie der Emberá Chamí. Die Frau arbeitet, wie viele junge indigene Frauen aus dem ländlichen Raum, als Hausangestellte bei einer Familie in Medellín und kann nur alle 14 Tage am Wochenende nach Hause fahren, um ihre drei Kinder zu sehen.

Im Ort selber ist der Dorfplatz das absolute Highlight – dort spielt sich das Dorfleben ab. Die Plaza ist Treffpunkt für Einheimische und Touristen gleichermassen. Ich habe mehrere Stunden dort gesessen und den Menschen amüsiert zugeschaut, bis mich dann ein kurzer Regenschauer für kurze Zeit vertrieb. Ansonsten passierte nicht viel.

Während des Regens ging ich ins Dorfmuseum Museo Clara Rojas Peláez. Das Gebäude gehörte einer der Gründerfamilien Jardíns. Ich fand die ausgestellten Stücke etwas wirr zusammengestellt, aber die Architektur des Hauses ist doch typisch für die ersten (wohlhabenden) Siedler in dieser Gegend und daher recht interessant. Die Architektur des Ortes hat sich seit der Kolonisation kaum geändert.

Die Wanderwege rund um das Dorf sind ebenfalls empfehlenswert (Mückenschutz nicht vergessen!). Die Landwirtschaft ist kleinteilig und hinterlässt deshalb einen hübschen und abwechslungsreichen Eindruck: Kaffee, Bananen, Mangos, Bohnen und Avocados wachsen hier. Also so ziemlich alles, was in Kolumbien traditionell auf den Tisch kommt. Es gibt auch organisierte Besichtigungen von Kaffeefarmen oder Forellenzucht in der Umgebung, aber ich habe mich lieber von dem trägen Fluss des Dorflebens treiben lassen. Auch für Bird Watcher ist Jardín eine gute Adresse; man müsste allerdings früher aufstehen, als ich es getan habe, um die Farbenpracht der einheimischen Vögel bewundern zu können. Nach der Hektik und den Staus in Medellín habe ich die Ruhe Jardíns sehr genossen. Es war nachts so still, dass es mir zunächst fast unheimlich wurde. Ich habe mich jederzeit sehr sicher gefühlt.

Gewohnt habe ich im familiären Hostal Mi Sueño, das ich sehr empfehlen kann. Ich habe umgerechnet 30 Franken für Übernachtung (Zimmer mit eigenem Bad) und Frühstück bezahlt. Für eine Sache bin ich meinen Gastgebern Fernando und Gilma besonders dankbar: Ich hatte mein Handy im Zimmer liegen gelassen und Doña Gilma suchte mich überall am Busbahnhof, um es mir zurückzugeben. Super nett! Ich wage gar nicht, mir vorzustellen, ich hätte erst während der Rückfahrt gemerkt, dass mein Handy fehlt. Das Bus-Ticket Medellín-Jardín kostet übrigens etwa 8 Franken für den einfachen Weg. Die Busse starten vom Terminal Sur in Medellín.

Wer geschäftlich oder privat in Medellín zu Besuch ist und mehr als einen Tag Zeit für einen Ausflug in das ländliche Antioquia hat, dem kann ich Jardín ans Herz legen. Da das Dorf auf 1750 Meter Seehöhe liegt, sind die Temperaturen sehr angenehm. Wer nur einen Tag Zeit hat, ist mit einem Ausflug nach Guatapé oder Santafé de Antioquia vielleicht besser bedient.